Finanzkrise: „Wir müssen aus der Krise lernen, das Geld für vernünftige Zwecke zu mobilisieren“ (Wilhelm Hankel)

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Helga Zepp-LaRouche (HZL) führte am 14. Januar das folgende Interview mit dem früheren Leiter der Abteilung Geld und Kredit im Bundesfinanzministerium, engem Mitarbeiter Karl Schillers und ehemaligen Chefökonomen der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Prof. Wilhelm Hankel.

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    HZL: Lassen Sie mich zunächst noch einen Schritt zurück gehen, damit unsere Leser – vor allem die jüngeren Leute – zu schätzen wissen, aus welchen historischen Traditionen Sie kommen. Sie sind ja ein wichtiger Zeitzeuge der Zeit des Wiederaufbaus in Deutschland, Sie waren im Ministerium von Karl Schiller tätig, Sie hatten eine wichtige Rolle in der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

    Wie würden Sie jungen Leuten heute erklären, was der Unterschied ist zwischen dem Paradigma, also der Werteskala damals und heute, und was könnte man aus dieser Zeit an Inspiration ziehen?

Hankel: Die Zeit nach dem Krieg war die Zeit einer großen Kraftanstrengung aller Deutschen. Das Land lag in Trümmern und mußte aufgebaut werden, und jeder wußte, jetzt muß man anpacken.

Und die  Kreditwirtschaft war voll eingebunden  in die Realwirtschaft, also in das, was Ihr lieber Mann immer als die „physische Wirtschaft“ bezeichnet. Wir hatten in den ersten Nachkriegsjahrzehnten in Deutschland keinen Kapitalmarkt für Finanzanlagen zu Spekulationszwecken. Die volkswirtschaftliche Ersparnis finanzierte die realen und bitter notwendigen Investitionen. Es gab nicht das Problem, daß sich die Finanzwirtschaft wie heute und schon seit Jahrzehnten vom Realsektor, den realen und sozialen Bedürfnissen der Menschen entfernt. Real-, Sozial- und Finanzsektor zogen an einem Strang. Das war ganz wichtig.

Ein Zweites hat ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt: Die deutsche Volkswirtschaft war zwar von Beginn an exportorientiert – schon wegen des Verlustes der durch die DDR abgespaltenen Binnenmärkte. Aber der deutsche Geldkreislauf war mehr oder weniger geschlossen. Da floß nichts ins Ausland ab, im Gegenteil, man war froh, wenn ausländische Gelder in Deutschland angelegt wurden, was ja damals auch dank der stabilen DM und der rechtzeitigen Vorkriegsschuldenregelung der Fall war.

Kurz, der ganze Bereich der heutigen Globalisierung und Europäisierung spielte so gut wie gar keine Rolle. Was in Deutschland gespart wurde, wurde auch in Deutschland genutzt und investiert, weswegen die Entwicklung sehr viel stabiler und auch berechenbarer war. Auch die Prognosen der Ökonomen waren wesentlich rationaler, fundierter und verläßlicher.

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HZL: Eine letzte Frage: Man sieht ja allenthalben, daß die Krise bereits aus den Büchern der Banken überspringt auf die Realwirtschaft, es gibt immer mehr Unruhen – in Griechenland, jetzt auch in Lettland. Wie sehen Sie die unmittelbare Zukunft, wie sehen Sie die Perspektiven für die nächste Zeit?

Hankel: Das ist in der Tat die Frage der Fragen. Sicher erscheint es mir, daß man diese Krise, die ja eine ganz ungewöhnliche ist, nämlich eine von Fachleuten oder sogenannten Fachleuten ausgelöste, nicht nur mit den alten Rezepten der letzten Krisen lösen kann: billigem Geld, Staatsdefiziten und der Sozialisierung von Verlusten.

Das eine ist, daß man die Ansteckungsgefahr, die von der Finanzwirtschaft ausgeht, beseitigt und das dort eiternde Geschwür herausoperiert. Dazu haben wir ja eben Vorschläge gemacht. Ich halte den Bilanzierungsvorschlag nicht nur für systemisch richtig. Er ist vor allem billig. Er kostet den Steuerzahler keinen Cent und bringt auch nicht die Staatsfinanzen in Gefahr. Die Banken sind durchaus in der Lage, ihre Schäden selber aufzuarbeiten. Man muß sie dazu zwingen, aber ihnen auch die Wege dazu aufzeigen. Allein die Beruhigung, daß die Krise ein Ende hat und nicht weiter ausufert, bedeutet ja schon eine wesentliche Stützung und Neubelebung der Konjunktur.

Natürlich ist es damit nicht getan. Deswegen schlage ich als Zweites vor, daß jetzt die in der neoliberalen Periode vernachlässigten sozialen Investitionen, also in der Infrastruktur, in der Bildung, im Verkehrwesen, auch im transeuropäischen Verkehrswesen – ich denke da an die Vorschläge ihres Mannes, die sibirischen Verbindungslinien auszubauen – all dieses muß jetzt prioritär in Angriff genommen werden. Denn, so paradox es klingt, ein Gutes, wirklich Gutes hat diese Krise: Sie macht deutlich, daß das neoliberale Standardargument – „Dafür ist kein Geld vorhanden“ – Quatsch ist. Es gibt dieses Geld – nur daß man es heute falsch einsetzt und vergeudet. Hier liegen die wahren Kosten dieser Krise.

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Zu Ihrer Kenntnisnahme. Wir können die hier geäusserten Thesen, Nachrichten, Informationen, Behauptungen selber natürlich nicht vollständig beurteilen. Trotzdem meinen wir man muss sie kennen.
Bilden Sie sich aber bitte selbst Ihre Meinung, Ihr Urteil ! “Drum prüfe …”

(Markierungen in Fett- und/oder Kursivschrift – wie immer – durch die Redaktion)

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